Interview mit Siegfried Kohl und 5 Erkenntnisse, die uns jetzt in Zugzwang bringen

Was kommt auf mich als Autoverwerter mit der E-Mobilität zu? Wer trägt die Kosten und Verantwortung dafür? Kann man als Autoverwerter damit noch seine Kosten decken?

In den letzten Monaten hat sich, politisch gewollt, sehr viel im Bereich der E-Mobilität getan. Die Anzahl der E-Autos hat stark zugenommen und die Themen sind täglich in den Medien präsent. Durch die Klimaschutzziele 2030 und durch das Markttreiben von Tesla ist jetzt soviel Druck aufgebaut worden, dass sich jetzt plötzlich alle Marktplayer mit dem Thema beschäftigen, aber auch gegenseitig behindern oder in Lauerstellung gehen, um nichts falsch zu machen.

Was muss ein Autoverwerter tun um sich
         – arbeitsrechtlich
         – abfall- und genehmigungsrechtlich
         – transportrechtlich
         – vertragserfüllend dem Rücknahmenetz-Partner gegenüber
         – kundenfreundlich
         – und seinen Annahmestellen gegenüber
gesetzlich und wirtschaftlich zu verhalten?

Muss ich auch selber tätig werden und mich an die örtliche Polizei, Feuerwehr oder mein zuständiges Ordnungsamt wenden, um meinen aktuellen Status zu melden? Was kann und was darf ich, wenn ich mit der Sicherstellung eines E-Autos beauftragt werde?

Diese und nachfolgende Fragen haben uns erreicht und wir haben diese zusammengefasst und mit der Bitte um Aufklärung gestellt.

Gefragt haben wir Herrn Siegfried Kohl, Vorsitzender der Fachgruppe Autorückmontage in der BDSV

Sehr geehrter Herr Kohl, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen und wir Ihnen diese wichtigen Fragen stellen dürfen. Uns ist klar, dass es sicher noch nicht auf alle Fragen treffsichere und belastbare Antworten geben kann, aber es wird Zeit, die Weichen zu stellen und für unsere Betriebe Klarheit einzufordern. Die E-Mobilität wird für uns keine einfache Baustelle.

Welche Vorgaben sind zu erfüllen, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten? Als Beispiel nenne ich die Vorgaben für die VW Händler, die sehr umfangreich sind. Es muss eine Quarantänefläche eingerichtet werden, die wahrscheinlich um die 100 qm umfassen soll, Absperrungen und Beschilderungen inklusive. Die Sicherheit vor dem Zugriff Dritter muss gewährleistet werden. Genehmigungen durch die Behörde, BimschG oder ähnliche Genehmigungen für das Behandeln, Lagern und Transportieren, müssen vorliegen. Gefährdungsanalysen müssen durchgeführt werden und natürlich steht die Ausbildung der Mitarbeiter ggf. bis hin zum Elektromeister auf dem Programm. Die versicherungsrelevante Absicherung gilt es zu bedenken, Umwelt- und Haftpflichtversicherungen müssen auf das Risiko hingewiesen werden oder auch nachverhandelt werden.

Da kommt eine lange Liste auf uns zu und da sind wir noch beim kompletten Fahrzeug. Bei Unfallfahrzeugen gilt zusätzlich die modifizierte AwSV, Abwasserrückhaltung etc., Löscheinrichtungen, Transportbehälter etc. Beim Transport ist die GGVS zwingend zu beachten. Für mich steht fest, ein E-Fahrzeug kann aus heutiger Sicht nicht kostenfrei angenommen werden, zumal die Entsorgungslogistik bis heute nicht geklärt ist.

FRAGE: Was raten Sie einem zertifizierten Autoverwerter der KEIN Vertragspartner eines Herstellers ist?

ANTWORT: Auf jeden Fall zur Vorsicht. Ohne fachlich ausgebildete Mitarbeiter ist keine Annahme möglich und ohne behördliche Genehmigung rate ich auf jeden Fall davon ab.

FRAGE: Und was raten Sie einem AV, der Vertragspartner zu einem oder auch mehreren Herstellern ist?

ANTWORT: Auch hier gilt: Eine Annahme ist nur dann möglich, wenn Fachpersonal und Genehmigung vorhanden ist. Alternativ kann die AV das zuständige Autohaus bitten, die Hochvoltbatterie vor der Abholung auszubauen.

FRAGE: Soll oder kann ein AV ein E-Auto nicht einfach annehmen?
ANTWORT: Nein, kann er nicht!

FRAGE: Woher bekommt der AV die wichtigen Daten für die sichere Zerlegung?

ANTWORT:  Bis alle Voraussetzungen erfüllt sind, ist IDIS die einzige Nachschlagequelle derzeit. (https://www.idis2.com/#)

FRAGE: Wie prüft man den Zustand der Batterie und wo wird das dokumentiert?

ANTWORT:  Hierzu benötigt man, je nach Hersteller, unter Umständen verschiedene Messgeräte. Eine Dokumentation ist auch aus versicherungstechnischen Gründen unbedingt erforderlich.

FRAGE: Wie und wo würde man die ausgebaute Batterie lagern?

ANTWORT: Die behördliche Genehmigung vorausgesetzt, denke ich, ginge eine Europalette für unbeschädigte und geprüfte Batterien.

FRAGE: Wer nimmt dem AV die Batterie ab?

ANTWORT:  Das sollte derzeit der Hersteller leisten, der auch in der Produktverantwortung ist. Er sollte den Transport und auch die Transportbehältnisse bereit stellen.

FRAGE: Kostet das Geld? Oder bekomme ich Geld dafür?

ANTWORT:  Entsorger verlangen für die Entsorgung Zuzahlungen von bis zu 3 EUR/Kilo! Die Batterie hat sicher einen Eigenwert, nur das Handling muss vorher geklärt sein. Auch die Dokumentation muss lückenlos erfolgen.

FRAGE: Gibt es bereits Hochrechnungen und auch Freigaben, was aus einem E-Auto frei verkäuflich ist? Und wie viel gibt es möglicherweise um die Wertschöpfung (Kostendeckung) zu erzielen?

ANTWORT:  Nein, das ist mir bis dato nicht bekannt. Fest steht allerdings, dass die Shredder den Motor so keinesfalls verwerten können und deshalb umfangreiche Demontagen notwendig sind. Daher wird eine kostenlose Verwertung von E-Fahrzeugen nicht möglich sein.

FRAGE: Wo kann der AV die gesetzlichen Vorschriften einsehen, die unsere Betriebe betreffen?

ANTWORT:  Nun, da sind wir noch in einer Grauzone, weil sicher jede Genehmigungsbehörde das etwas anders sieht. Es ist noch nicht geklärt, wie die Behörden hier reagieren.

FRAGE: Wer bietet Tester-Technik für die E-Fahrzeuge an?

ANTWORT:  VW hat zugesagt entsprechende Technik entwickeln zu lassen und auch SEDA ist um eine Entwicklung bemüht.

FRAGE: Wer führt Lehrgänge durch?

ANTWORT:  Es gibt verschiedene Schulungen. Dabei ist zu beachten, dass die Qualifikationen dafür in verschiedene Stufen unterteilt sind. Unser ISM im BDSV wird hier Schulungen in Zusammenarbeit mit der TAK, den Kfz-Innungen sowie weiteren Organisationen zur Verfügung stellen. Grundlehrgänge bietet zum Beispiel auch die TABA des VBA an.

FRAGE: Stimmt es, dass man als Versender für die Fracht haftbar gemacht werden kann?

ANTWORT:  Ja, natürlich! Nach der GGVS sind Sie als Absender mit im Risikoboot.

FRAGE: Muss ich die einzelnen Arbeitsschritte im BTB dokumentieren?

ANTWORT: Selbstverständlich und zwar lückenlos und genau. Schon im Eigeninteresse bei Schäden. Auch muss die eingelagerte Batterie ständig geprüft werden.

FRAGE: Und was kommt auf mich zu, was ich noch gar nicht weiß?

ANTWORT: Gute Frage. Ich denke, wir sind bei der Verwertungskette noch am Anfang. Allerdings sind sowohl rechtliche als auch technische Fragen noch nicht komplett beantwortet.

Vielen Dank, Herr Kohl für Ihre Zeit und Ihre Mühe!

Was sagt uns das Interview zusammengefasst?

  • Wir müssen uns vorbereiten!
  • Wir müssen uns weiterbilden!
  • Wir müssen uns technisch ausrüsten!
  • Wir brauchen einen Leitfaden!
  • Wir brauchen die passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Und das schnellstmöglich, denn die E-Autos sind auf den Straßen. Sie werden auch entsorgt werden müssen! Wenn nicht wir, wer sonst?